Auf der Esri Konferenz 2020 zeigte die Kölner Band Snippet Upper Laser, dass GIS und Kunst zusammengehören. Die Geschichte einer musikalisch-geographischen Idee, vom ersten Schwips bis zum Kartenrausch.
Ein lauer Sommerabend in der Nähe von Freiburg. Die Belegschaft von Esri Deutschland und Schweiz feiert den Esri Summer Event. Zusammen baut man Zelte, spielt Fußball, backt Torten und schießt selbstgebastelte Raketen in den Nachthimmel. Plötzlich zerzausen schräge Klänge einer Jam Session die frühabendlichen Frisuren, tönend aus einem Sammelsurium von Instrumenten wie Gitarre, Trompete und Schlagzeug.
Allerdings ist kein Schlagzeug in Sicht. Was ist hier los? Der Kollege Nik Köhn, Mitglied der zweiköpfigen Band Snippet Upper Laser, hat das Motto “See what others can’t” offenbar besonders ernst genommen. Denn im Gepäck hat er sein per Webcam gesteuertes Luftschlagzeug, auf dem er kräftig ins Leere trommelt. Dieser Anblick und sein Engagement in einer Band mit ausnehmend geographischen Namen sorgte für Gesprächsstoff, und später am Abend sprang in bierseliger Stimmung die Ideenmaschinerie an: Eine Firma, die sich um Geo dreht. Eine Band mit Geo im Namen. Das Sichtbarmachen sinnhafter Muster in einem Wust von Daten und das Erzeugen von Klängen auf einem unsichtbaren Instrument. Da könnte man doch etwas draus machen…
So entstand die Idee, die altehrwürdige “Map Gallery” der Esri Konferenzen mit neuem Leben zu füllen. Das Ziel: ein spannendes Live-Erlebnis schaffen – mit Visualisierungen, die direkt aus der Esri-Software entspringen. Die Zeit: Juli 2019 – genau T-minus sieben Monate.
Der Plan
Oft zeigen sich beschwipste Ideen am nächsten Tag in einem ganz anderen Licht. Diese jedoch blieb, und sie gewann mit ihrer Reifung an Form und Farbe. Schnell war ein einminütiger Prototyp geschaffen, der sich eines animierten GIFs des “Adventures-In-Mapping”-Aktivisten John Nelson bediente, das abstrakt und farbenfroh den jährlichen Wandel der polaren Eisgrenzen visualisierte. Ein Pixelregen ergoss sich über die progressive Instrumentalmusik der Kölner Band – noch lange nicht geschaffen für die große Leinwand, aber so stimmungsvoll, dass aus der Schnapsidee ein Projekt wurde, das man von nun an nach Kräften verfolgte.
Der Geschichtenerzähler
Es gibt Menschen, die schon längst das verstanden hatten, was im sommerlichen Süddeutschland ein paar Esrianern wie Schuppen von den Augen fiel: GIS und Kunst sind wie geschaffen füreinander. Einer dieser Menschen ist der US-amerikanische Kartograph John Nelson, der uns in seinem Blog “Adventures In Mapping” regelmäßig an seinen kartographischen Exkursionen teilhaben lässt.
Egal, ob er einen neuen “One Minute Map Hack” auf YouTube rausgehauen, oder einen ArcGIS Pro Style für Mittelerde- oder Wasserfarb-Karten entwickelt hat, von der Begeisterungsfähigkeit seines Sohnes bei ersten Fingerübungen im GIS zwischen Müsli und Schulbus berichtet oder einfach nur die Entstehung seines neusten kartographischen Kunstwerks in Form eines Tutorials schildert – immer tut er das mit dem wachen Auge eines Beobachters, der Sorgfalt eines Wissenschaftlers und der lebendigen Sprache eines Geschichtenerzählers.
John war sofort begeistert von der Idee, steuerte hochauflösende Versionen seiner Animationen und Kartenkunstwerke bei und würde auch – so der Plan, hätte nicht Covid19 die Reisepläne durchkreuzt – mit seinem Talk Teil der Esri Konferenz 2020 werden.
Die Superheldin
Bei Tag und mit Brille arbeitet sie an der 3D-Seite der ArcGIS API for JavaScript. Nachts wird sie jedoch zur Rächerin der blassen Web-Plankarten mit Auswahlmenüs in Windows-3.1-Look. Sie stürzt sich in schwarz-weiß-schraffierte Straßenschluchten, spielerische Low-Poly-Reliefkarten, märchenhafte Old-School-Atlanten, glühende Epizentren in drehenden Globen und absurde Baumpflanzaktionen auf Manhattans Wolkenkratzern. Alles in 3D und interaktiv und dazwischen Code, Code, Code – das ist die Welt der schweizerischen Rumänin Raluca Nicola. Auch sie fing sofort Feuer von der Idee, stand fortan mit Rat und Tat und ihrer exorbitanten Codebasis zur Erzeugung abgefahrener Visualisierungen zur Seite.
Das Duo
Mehrere Jahre gemeinsamer musikalischer Aktivität verbanden die Kölner Kreativlinge Chris Dissel und Niklas Köhn, als sie sich als Duo aus einer größeren Band-Formation herausschälten. Da standen sie nun in ihrem Proberaum, in dem sie sich Jahre zuvor kennenlernten und seitdem viel Zeit verbracht, Höhen und Tiefen geteilt hatten, mit nichts als Gitarre, Schlagzeug und einem Laptop. Weil aber zu zweit alles so schön unkompliziert ist, wurde aus Not und diversen Leidenschaften viel schneller als gedacht ein Ding namens Kickass Progressive Post Rock, unverschämterweise kombiniert mit 80er Synth-Pop. Treibend, atmosphärisch, eingängig, wie ein Actionfilm mit Liebesdrama und einer Mütze Slapstick auf Breitbildleinwand. Und als nach dem Blick ins geographische Referenzsystem “what3words” klar wurde, dass dieser Ort des Kennenlernens und der kreativen Arbeit den absurdesten retro-futuristischen, anarcho-assoziativsten Namen trägt, den die Welt je gehört hat, war auch der Bandname klar: Snippet Upper Laser.
Das Erlebnis
Bei so viel geballter Kreativ-Power ist der Rest ja ein Spaziergang. Wären da nicht diese Prämissen! GIS ist ein gigantischer Eisberg aus Wissenschaft und Technik unter der Wasseroberfläche, über die eine Spitze namens Visualisierung hinausragt. Diese Spitze abzuschneiden und zu einer eindrucksvollen Präsentation zu verarbeiten, stellt in Kombination mit dem Vorsatz, die Bilder komplett aus der Esri-Software zu generieren und abgesehen von reinem Videoschnitt nicht nachzubearbeiten, eine große Herausforderung dar.
Geht man davon aus, dass das Auge des Betrachters an heutige 3D-animierte Filme und Game Engines gewöhnt ist, stehen die Renderings der auf datentechnische Präzision, Klarheit und Lesbarkeit ausgelegten GIS-Software dahinter zurück.Verständlich: Denkt man sich 90% des Geschmacks einer lang gereiften, komplexen Käsespezialität weg, bleibt auch nur junger Gouda.
Das richtige Rezept jedoch greift die Natur seiner Hauptkomponente auf und erzeugt durch richtige Dosierung und ein paar wenige Zutaten ein berauschendes Geschmackserlebnis. Und glaubt man rund 1000 begeisterten Zuschauern, ihren Reaktionen und Tweets, ist genau das auf der Esri Konferenz 2020 geglückt durch die Symbiose von GIS und Kunst.
Die Esri Konferenz 2021 findet am 26. und 27. Oktober 2021 im WCC Bonn statt – Stay tuned!
Nutzen Sie zudem die virtuellen Events Esri UC 2020 (13.-16.07.) und den Esri TechDay (1.9.) um spannende Informationen und Inspirationen zu ArcGIS aus erster Hand zu erhalten.