Raumbezogene Daten kombinieren das Was mit dem Wo. Wenn nun noch das Wann hinzukommt, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten.
Durch die Berücksichtigung des Faktors Zeit können in räumlichen Analysen auch die Veränderungen von räumlichen Mustern im Zeitverlauf beschrieben und hinterfragt werden. Entwicklungstrends und zeitabhängige Muster, die ansonsten verborgen geblieben wären, können erkannt werden. Am Beispiel von Graffiti werden Konzept und Vorgehensweise der Raum-Zeit-Analyse erläutert, die in der Schulung „Räumliche Statistik und zeitbezogene Analyse mit ArcGIS Pro“ im Detail vorgestellt wird.
Graffiti in Städten: ein Problem
Graffiti in Städten sind meist keine Kunstobjekte, sondern lediglich Schmierereien, die unter großem Arbeits- und Kostenaufwand von den Wänden entfernt werden müssen. Um geeignete Maßnahmen zur Eindämmung von Sprayeraktivitäten zu planen, muss man das „Graffito-Phänomen“ aber erst einmal verstehen. Die Methoden der Raum-Zeit-Analyse können einen wertvollen Beitrag dazu leisten.
Die Ausgangsdaten
Im Untersuchungsgebiet wurde über einen Zeitraum von acht Jahren erfasst, wann und wo Graffiti erstellt wurden. Das Ergebnis ist eine Punkt-Feature-Class mit mehr als 120.000 Einträgen. Eine Analyse soll genauere Erkenntnisse über dieses Phänomen liefern.
Hot-Spot-Analyse
Eine zunächst durchgeführte Hot-Spot-Analyse zeigt, dass es statistisch signifikante Hot- und Cold-Spots in der Verteilung von Graffiti im Untersuchungsgebiet gibt.
Das Ergebnis basiert allein auf der Verteilung der Graffiti im Untersuchungsgebiet. Ob und wie sich die Sprayeraktivitäten im Zeitverlauf verändert haben, geht daraus noch nicht hervor. Es ist auch nicht ersichtlich, wo die Sprayer zuletzt am aktivsten waren.
Das Raum-Zeit-Fenster
Um Raum-Zeit-Cluster zu erkennen, gilt es herauszufinden, innerhalb welcher zeitlichen und räumlichen Distanz Ereignisse als zusammengehörig betrachtet werden können. Bei einem sog. Raum-Zeit-Fenster steht ein Ereignis bildlich gesprochen in der Mitte eines Zeitintervalls, und es wird ermittelt, wie viele anderen Ereignisse sich innerhalb des Zeitintervalls und innerhalb einer bestimmten räumlichen Distanz ereignet haben.
Dann wird das Fenster zum nächsten Ereignis verschoben, und wiederum wird ermittelt, wie viele Ereignisse sich innerhalb des Zeitintervalls und innerhalb der räumlichen Distanz ereignet haben. Daraus ergeben sich Cluster von Ereignissen, die räumlich und zeitlich nahe beieinander liegen.
Auf diese Weise werden auch Zusammenhänge zwischen Ereignissen berücksichtigt, die z. B. innerhalb von sieben Tagen, aber nicht zwingend innerhalb derselben Woche stattgefunden haben.
Explorative Analyse
Vor einer statistischen Analyse ist immer eine explorative Untersuchung der Ausgangsdaten sinnvoll. Beim Beispiel der Graffiti liefert v. a. die Darstellung der Ereignisse in einem Liniendiagramm auf Grundlage eines 3-monatigen Zeitintervalls ein interessantes Ergebnis:
Die Aktivitäten von Sprayern nehmen regelmäßig im Frühjahr und Sommer eines jeden Jahres zu und im Herbst und Winter wieder ab. Diese zeitliche Variation lässt sich wohl durch die jahreszeitlich bedingten Wetterverhältnisse erklären. Im Frühjahr und Sommer ist es für Sprayer im Freien angenehmer als im Herbst und Winter.
Space Time Pattern Mining
Ausgestattet mit diesen Erkenntnissen, wird die Verteilung der Graffiti mit den Werkzeugen der Toolbox Space Time Pattern Mining weiter analysiert. Es soll überprüft werden, ob sich die Sprayeraktivitäten in ihrer Intensität und räumlichen Verteilung im Zeitverlauf verändert haben.
Die erforderlichen Analysewerkzeuge befinden sich in der Toolbox Space Time Pattern Mining in ArcGIS Pro und den darin enthaltenen Toolsets.
Raum-Zeit-Würfel erstellen und visualisieren
Das Werkzeug Raum-Zeit-Würfel durch Aggregieren von Punkten erstellen erkennt Punkt-Ereignisse, die in einem Raum-Zeit-Fenster nahe beieinander liegen. Durch die Aggregation der Ereignisse innerhalb des Fensters ergeben sich Hot- und Cold-Spots im Untersuchungsgebiet. Die Informationen über die Veränderung der Graffito-Aktivitäten werden in einer netCDF-Datei gespeichert.
Diese Datenstruktur kann als dreidimensionaler Würfel aufgefasst werden. X- und Y-Achse beschreiben dabei die Lage der Datenpunkte und die Z-Achse deren Position auf dem Zeitstrahl.
Die Parameter Zeitschrittintervall (3 Monate) und Entfernungsintervall (500 m) des verwendeten Raum-Zeit-Fensters ergeben sich aus der vorher durchgeführten explorativen Analyse der Zeit und der räumlichen Charakteristik des Untersuchungsgebietes. In diesem städtischen Umfeld sollen Ereignisse innerhalb einer Entfernung von 500 m als potenziell zusammengehörend interpretiert werden. Beide Intervalle dürfen nicht willkürlich festgelegt werden. Intensive Beratungen müssen einer sachgerechten Auswahl vorangehen.
Die Informationen des Raum-Zeit-Würfels können auf mehrfache Weise zwei- und dreidimensional dargestellt werden. Mit dem Werkzeug Trendanalyse von Hot-Spots wird ein Layer erstellt, der Trends bei der Cluster-Bildung auf der Grundlage von Punktdichte (Anzahl) oder Attributwerten in einem Raum-Zeit-Würfel identifiziert.
Eine komplexe Legende erklärt die Symbole des resultierenden Layers, der u. a. neue, konsekutive, sich verstärkende, dauerhafte, abnehmende, zeitweilige, schwankende und ehemalige Hot- und Cold-Spot enthält.
Das Werkzeug Raum-Zeit-Würfel in 3D visualisieren visualisiert die Informationen eines netCDF-Würfels als dreidimensionale Darstellung, die basierend auf der ausgewählten Variable und dem angegebenen Design gerendert wird.
Die aggregierten Einzelereignisse können als Säulen in einer Szene dargestellt werden. Die Häufigkeit der Ereignisse und deren Veränderungen im Zeitverlauf zeigen die Hot- und Cold-Spots, die entlang der Zeitachse vertikal angeordnet sind. Insgesamt lässt sich so die Dynamik des untersuchten Phänomens auf plastische Weise darstellen. Durch Navigieren in der Szene und Verwendung des Zeitschiebereglers lassen sich die Verhältnisse in bestimmten Bereichen und in bestimmten Zeitabschnitten noch besser erkunden.
Fazit
Die Analyse von Ereignissen endet nicht dabei zu beschreiben, wo etwas passiert ist und wie oft ein Ereignis eingetreten ist. Um Ereignisse zu verstehen, muss man auch herausfinden, wann sich etwas ereignet hat und wie sich im Zeitverlauf die Häufigkeit und die räumliche Verteilung von Ereignissen verändert hat. Erkenntnisse über Veränderungen in der Vergangenheit lassen außerdem Rückschlüsse auf den zukünftigen Entwicklungsverlauf zu. Man ist dadurch auf das Kommende besser vorbereitet oder kann Maßnahmen einleiten, um die Entwicklung in eine bestimmte Richtung zu lenken.