Bild- und Fernerkundungsdaten machen es uns möglich, Veränderungen aufgrund von Naturereignissen wie etwa starken Regenfällen und Überflutungen näher zu analysieren. Dietrich Heintz (CEO von cropix) macht anhand von Sentinel-1 Daten interessante Details in Norddeutschland sichtbar.
Bedingt durch den Klimawandel treten Extremwetterereignisse wie Starkregen immer regelmäßiger auf. Steigen die Pegelstände, nimmt auch das Risiko von Überschwemmungen zu. Dietrich Heintz hat jahrelange Erfahrung in den Bereichen Landwirtschaft und Fernerkundung gesammelt. Er zeigt, wie Sentinel-1 Daten für das Überflutungsmonitoring eingesetzt werden können.
Gastbeitrag von Dietrich Heintz
Langanhaltende Niederschläge über Weihnachten und Neujahr 2024 haben in weiten Teilen von Deutschland zu Überschwemmungen geführt. Das Hochwasser, das gebietsweise noch immer anhält, belastet die Deiche bereits über einem längeren Zeitraum, da diese nach und nach durchweichen. Damit wächst lokal die Gefahr für Dammbrüche.
Die anhaltenden Niederschläge hatten sich über ein großes Gebiet ausgedehnt und erstreckten sich über die Mittelgebirge “Harz” und “Rhön” sowie die Einzugsbereiche von Aller, Weser und Leine. Als die Wassermassen dieser Flüsse die norddeutsche Tiefebene erreichten, verlangsamte sich die Abflussgeschwindigkeit. Da es auch in diesen Gebieten zuvor schon anhaltend geregnet hatte, dehnte sich das Wasser in die Breite aus.
Ausdehnung und Verweildauer abbilden
Mit Radardaten von der Sentnel-1 Satelliten kann man durch die Bewölkung hindurchsehen. Zudem ist der Satellit unabhängig von Tageslicht, da er seine eigene Energie verwendet. Während der Niederschlagsphase war es praktsch durchgängig bewölkt und man hatte keine Möglichkeit, auf andere Art und Weise großflächig die Ausdehnung und Verweildauer der Überschwemmungen abzubilden.
Radarsatelliten schicken eine Mikrowelle mit einer Wellenlänge von ca. 5.5 cm, die die Wolken mühelos durchdringt. Die Mikrowellen brechen sich auf der Oberfläche und die Reflekton (backscatter) wird von dem Satelliten wiederum gemessen.
Sentinel-1 Satelliten
Sentinel-1 Satelliten umrunden die Erde in einer polaren Umlaufbahn in Höhe von 700 km:
- Jede Umrundung dauert ca. 90 Minuten.
- Erfasst werden die Daten in einem aufsteigenden und einem absteigenden Modus.
- Die Wiederholungsrate der Aufnahmen ist 12 Tage.
- Erfasst werden Daten in Streifen von ca. 240 km Breite.
- Jeder einzelne Footprint hat eine Größe von 200×240 km. Die Überlappung der Footprints nimmt zu den Polen hin zu.
Für ein Überflutungsmonitoring kann man für definierte Bereiche, Ausschnitte aus verschiedenen, sich überlagernden Footprints verwenden. Damit erreicht man kürzere zeitliche Intervalle.
Für dieses Monitoring wurde der Streifen “Ascending 117” verwendet. Er deckt Deutschland in weiten Teilen ab. Die Überflugzeit beträgt in etwa 2 Minuten. Dabei wird eine Fläche von ca. 200.000 km2 in Gänze erfasst. Zudem wurde ein Footprint des Orbits “Descending 139” verwendet, um im Überlappungsbereich
einen weiteren Aufnahmezeitpunkt zu analysieren.
Überschwemmungen bei Nordhausen
Betrachten wir zunächst ein Gebiet bei Nordhausen an der Grenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die Aufnahme unten ist vom 13. Dezember 2023, also vor der Überflutung, und zeigt in einem monochromen Satellitenbild Gewässer in Schwarz. Die Mikrowelle, die auf eine Wasseroberfläche trifft, wird nicht gestreut, sondern vollständig abgelenkt. Daher ist die Rückstreuung dort gering. Wasseroberflächen erscheinen aus diesem Grund schwarz. Helle Flächen repräsentieren wiederum Wälder, da deren Vegetation eine hohe Rückstreuung verursacht.
Das Bild wird mit farbigen Open-Street-Map Daten überlagert. Sie zeigen Straßen, Eisenbahnen, Flussläufe und Siedlungsflächen, wobei diese farblich unterschieden werden in Wohn-, Industrie- und Gewerbegebiete. Landwirtschaftliche Betriebe sind teilweise braun dargestellt.
Die zweite Aufnahme ist vom 25. Dezember 2023. Man sieht die überfluteten Flächen vor allem östlich von Nordhausen. Das Wasser kommt aus der Talsperre von Kelbra. Am 5. Januar 2024 wurde die dritte Aufnahme gemacht: Während östlich von Nordhausen das Wasser teilweise abgelaufen ist, haben sich am Oberlauf der Hamme neue Überflutungsflächen ausgedehnt, da sich in der Zwischenzeit weitere Niederschläge ereignet haben. Man erkennt deutlich die überfluteten Bereiche links und rechts vom Flusslauf.
Farbbilder
Die nächste Aufnahme (siehe unten) kombiniert nun die drei aufeinanderfolgenden Aufnahmen zu einem Farbbild. Dabei wurde die Aufnahme vom 13. Dezember auf den blauen, vom 25. Dezember auf den grünen und die Aufnahme vom 6. Januar auf den roten Kanal gelegt.
In der Folge erscheinen in der Karte diejenigen Gebiete blau, die einen hohen blauen Wert, jedoch geringe rote und grüne Werte aufweisen. Geringe Werte liegen vor, wenn die Fläche überflutet ist. Da die blauen Flächen lediglich am 25. Dezember und 6. Januar (nicht am 13. Dezember) überflutet waren, erscheinen sie in blauer Farbe.
- Bereiche, die am 25. Dezember überflutet waren, erscheinen pink. Sie waren am 13. Dezember noch nicht und am 6. Januar nicht mehr betroffen. Die Farbe wird dort gemischt aus blau und rot.
- Bereiche, die erst am 6. Januar und noch nicht an den Daten im Dezember überflutet waren, erscheinen türkis. Die Farbe mischt sich dort aus blau und grün.
Überschwemmungen am Zusammenfluss von Aller und Weser
Ein zweites Bespiel zeigt das Gebiet am Zusammenfluss der beiden Flüsse Aller und Weser. Führt man hier die Sentinel-1 Radardaten vom 25. Dezember, 27. Dezember und 6. Januar zu einem Farbkomposit zusammen, wird die Ausdehnung der Überflutungen sichtbar (links). Das rechte Bild fokussiert die Überschwemmungen um die Stadt Verden (Aller).
- Schwarz erscheinen die Bereiche, die bereits am 25. Dezember überflutet gewesen sind und auch am 6 Januar noch überflutet sind.
- Blaue Bereiche waren am 25. Dezember noch nicht überflutet, allerdings am 27. Dezember.
- In Türkis sehen wir, welche Gebiete zwischen dem 27. Dezember und dem 6. Januar zusätzlich überflutet wurden.
Fazit
Veränderungen zu beobachten, ist der Grundansatz in der Fernerkundung. Bevor wir beginnen können, Messwerte zu quantifizieren, müssen wir die relativen räumlichen und zeitlichen Veränderungen darstellen und interpretieren können.
Radarsatellitendaten eignen sich besonders für Zeitreihenuntersuchungen , da die Daten bei jedem Überflug aus dem selben Winkel mit der gleichen Energie erfasst werden. Das Signal durchdringt die Atmosphäre ungehindert und die Beleuchtungssituation hat ebenfalls keinerlei Einfluss auf die Aufnahmequalität.
Wir sehen also die Veränderungen auf der Oberfläche und können Datensatz für Datensatz für unsere Auswertungen heranziehen.
Die Auswertungen zeigen, dass sich Sentinel-1 Radardaten optimal eignen, um großflächig und zeitnah ein Überflutungsmonitoring in
gleichbleibender Qualität durchzuführen.
Dietrich Heintz (CEO von cropix)