Diese Frage ist durchaus ernst gemeint. Denn die in ArcGIS Desktop existierenden Methoden zur Bestimmung von Flächengrößen haben manchmal unterschiedliche Ergebnisse. Warum dies so ist und was es bei dieser scheinbar einfachen GIS-Aufgabe zu beachten gilt, erfahren Sie in diesem Gastbeitrag von Gregor Radlmair, Solution Engineer im kommunalen Bereich bei der Esri Deutschland GmbH.
Vorhandene Methoden
Welche Methoden gibt es, um einen Flächeninhalt zu bestimmen? Für eine Polygon Feature Class in der Geodatabase wird die Flächengröße automatisch in dem von der Geodatabase verwalteten Feld Shape_Area berechnet. Die dort angegebene Größe bezieht sich immer auf das Koordinatensystem der Daten und berücksichtigt die damit verbundenen Abbildungs-Verzerrungen.
Daneben gibt es folgende Methoden für die Bestimmung des Flächeninhalts:
- Rechtsklick auf einen Tabellen-Spaltennamen: Geometrie berechnen
In ArcGIS Pro erfolgt hierbei ein Aufruf des Geoverarbeitungs-Tools Geometrieattribute berechnen. Es verfügt über die gleiche Auswahl wie das ähnlich lautende Geoverarbeitungs-Tool Geometrieattribute hinzufügen (siehe 3.), legt jedoch, wie der Name verrät, kein neues Attributfeld an. - Rechtsklick auf einen Tabellen-Spaltennamen: Feldwert berechnen bzw. in ArcGIS Pro Feld berechnen
In ArcGIS Pro erfolgt hierbei ein Aufruf des gleichnamigen Geoverarbeitungs-Tools, siehe auch 4. - Geoverarbeitungs-Tool Geometrieattribute hinzufügen
Hier kann die Fläche bzw. die geodätische Fläche als zu berechnender Wert gewählt werden. - Geoverarbeitungs-Tool Feld berechnen
Bei den Methoden der Feldberechnung (2. und 4.) werden die Berechnungsausdrücke in Skriptsprachen angegeben; als Python-Code ausgedrückt entspräche das bei der Flächenberechnung !shape.Area@SQUAREMETERS! bzw. für die geodätische Berechnung !shape.geodesicArea@SQUAREMETERS!.
Um Nachkommastellen hinreichend exakt zu erhalten, sollten, wenn durch die Methoden keine neuen Felder angelegt werden, die zu berechnenden Felder vom Typ Double sein.
Die Einfluss-Faktoren
Wie zu vermuten spielt die Projektion eines Datensatzes bei der Fragestellung eine wesentliche Rolle. Jede Flächenberechnung ist beeinflusst durch …
- … die projektionsspezifische Abbildungs-Verzerrung: Daher ist es logisch, dass zum Beispiel ein Polygon in einer Gauß-Krüger-Projektion eine andere Flächengröße hat als die gleiche Fläche im UTM-32-System. Auffällig wird dies besonders durch …
- … die Lage im Raum, genauer gesagt, die Abstände der einzelnen Vertices zum längentreuen Meridian bzw. Breitenkreis: Langgezogene Flächen mit Annäherung an diesen weisen weniger Verzerrung auf als Flächen quer dazu oder Flächen an den Abbildungsrändern. Zugehörig zum Koordinatensystem ist auch …
- … das Bezugsellipsoid: Geodätische Flächenbestimmungen berechnen, unabhängig von der Projektion, die Größe auf dem zugrundeliegenden ‚GCS‘. Sogar bei verschiedenen flächentreuen Projektionen ergeben sich daher unterschiedliche Flächengrößen, wenn unterschiedliche Ellipsoide die Basis bilden. Umgekehrt ergeben sich die gleichen geodätischen Flächengrößen für Daten mit unterschiedlichen Koordinatensystemen, wenn das Bezugsellipsoid das gleiche ist. Was hier eine wesentliche Rolle spielt, jedoch als Einfluss-Faktor weniger bekannt ist, sind
- … die Abstände der Stützpunkte: Je weiter Stützpunkte einer Fläche voneinander entfernt liegen, desto ungenauer die Berechnung (Vgl. Abbildungen 1 und 2). Denn: Projiziert werden kann nur, was auch vorhanden ist. Wo kein Stützpunkt, da keine projektionsabhängige Verformung.
Dieser Punkt ist also sowohl bei der geodätischen Flächenberechnung wichtig als auch bei der Projektion der Daten in ein anderes Koordinatensystem mit anschließender Bestimmung der Flächengröße. Die Lage der Stützpunkte wird weiterhin beeinflusst durch … - … die Genauigkeit (XY-Auflösung) der Feature Class: Die XY-Auflösung bestimmt, wo Stützpunkte liegen können, nämlich im Prinzip auf gedachten Gitter-Kreuzungspunkten. Je größer die Gitterabstände, desto mehr Versatz erfahren die Stützpunkte bei der Erfassung, bei geodätischen Berechnungen und bei der Umrechnung in ein anderes Koordinatensystem (Vgl. Abbildungen 1 und 3).
Was bedeutet dies nun für unsere Arbeit?
- Die ermittelte Flächengröße steht immer in direktem Bezug zu den Einstellungen, die beim Anlegen der Feature Class getätigt wurden, also der Wahl des Koordinatensystems und der gewählten XY-Auflösung. Die voreingestellte XY-Auflösung genügt in der Regel.
- Geodätische Flächenberechnungen ergeben nicht zwangsweise die ‚wahre‘ Größe, sondern stehen in Bezug zum ‚GCS‘ des Koordinatensystems des zu berechnenden Datensatzes – unabhängig von der Art der Projektion oder der momentanen, ggf. projizierten und transformierten Darstellung.
Der Sachverhalt gilt auch für flächentreue Projektionen. Diese sind zwar darauf ausgelegt, die Größe von Flächen realistisch abzubilden, ein minimaler Unterschied bei einer ‚normalen‘ Flächenberechnung und einer geodätischen ist jedoch unumgänglich: Bei einem Testgebiet von ca. 2,8 Mio. m² betrug der Unterschied jedoch weniger als 0,2 m². - Die Ergebnisse der Flächenberechnung bei einer Feature Class mit und einer Feature Class ohne Stützpunktverdichtung sind unterschiedlich. Im Zweifelsfall sollte eine Stützpunktverdichtung erfolgen.
Genau genommen ist die notwendige Stützpunktdichte dabei abhängig von der gewünschten Genauigkeit der Flächenberechnung, der Projektion und dem Abstand der Fläche bzw. ihrer Stützpunkte zum längentreuen Meridian bzw. Breitenkreis des Koordinatensystems. Eine Stützpunktverdichtung kann über die Geoverarbeitungs-Tools Verdichten bzw. Geodätisch verdichten erfolgen oder über das Tool Projizieren in Verbindung mit dem Parameter ‚Shape beibehalten‘.
Nur bei ausreichend dicht gesetzten Stützpunkten und einer hinreichenden XY-Auflösung der Feature Class liefern…
… die Methoden für die Feldwertberechnung, also die Methoden 2 und 4 (siehe oben: ‚Vorhandene Methoden‘), die jeweils gleichen Ergebnisse.
… nicht geodätische Berechnungen bei allen Methoden identische Ergebnisse und entsprechen darüber hinaus der Fläche des Geodatabase-spezifischen Feldes Shape_Area.
… geodätische Berechnungen zu vernachlässigend geringe Abweichungen zwischen der Feldwertberechnung und der Methode zum Berechnen/Hinzufügen von Geometrieattributen, nämlich bei Testflächen mit ca. 400.000 m² um die 0,3 mm², mit ca. 2,8 Mio. m² um die 0,3 cm².
Flächengrößen-Berechnungen am Beispiel des Flughafens Baden-Baden
Die folgenden Abbildungen zeigen die Flächengrößen des Flughafens Baden-Baden (Test-Digitalisierung) sowie einer Vergleichsfläche, je in Gauß-Krüger-Projektion und in Bezug auf das zugrundeliegende Bessel-Ellipsoid. Die Polygone sind mit ihren zugehörigen Stützpunkten dargestellt. Die zugehörigen Feature Classes haben folgende Eigenschaften:
- Abbildung 1(blau): Default Precision, also eine XY-Auflösung von 0,0001m.
- Abbildung 2 (rot): Default Precision mit verdichteten Stützpunkten in einer Entfernung von 100m.
- Abbildung 3 (grün): Precision 1m XY-Auflösung.
Es zeigt sich: Bei der Bestimmung der Flächeninhalte gilt es einiges zu beachten, je nachdem, welche Genauigkeit man anstrebt. 1 m² ist eben doch nicht immer 1 m².


